MACHEN
Bildhauerei ist eine ziemlich umständliche Art etwas vieldeutig zu sagen. Aber immerhin hat man echte, sozusagen substanzielle Beweise.
Es ist das Machen. Eine Skulptur herstellen kann man nicht vergleichen mit der Herstellung anderer Dinge. Man baut an einem Ding und immer liest man seine Form, den Zustand des Materials, weitere Möglichkeiten was als nächstes sein könnte oder Bedeutungen, die man will oder die man vermeiden möchte fortlaufend mit. Ich mag es, wenn der Plan nur daraus besteht anzufangen. Es ist als ob man aus dem Haus tritt und hinter der Tür damit beginnt zu entscheiden ob man rechts oder links geht.
Man lebt ja nur scheinbar in einer geordneten Welt und glaubt zu wissen wie die Dinge sind. Dabei fängt bereits hinter der Tür, wenn jeder beginnt Entscheidungen zu treffen, der Urwald, das Abenteuer an. Jede Ecke die man nimmt oder baut, jeder Bogen den man läuft oder fügt, führt in etwas Unbekanntes.
Wir vertrauen ständig oberflächlichen Mustern, einem Stadtplan, gebauten Straßen oder überhaupt der Stadt in der man lebt und hat doch kaum eine Ahnung davon, was diese realen Sachen noch mehr sind.
Wenn ich mit dem Machen einer Skulptur beginne, weiß ich nicht wie es endet, welcher Gegenstand mich ansieht und was ich spüre oder denke, wenn ich diese neu geborene Sache selbst ansehe. Was ich allerdings weiß: Wir werden eine Beziehung haben, das gemachte Ding und ich. Das ist eine verheißungsvolle Aussicht.
Schlägt der Mensch die Augen auf, beginnt er mit dem Machen. Er macht Kaffee oder Frühstück, macht sich bereit für den Tag. Fortlaufend, bis zur Stunde da sich der Erdling zur Ruhe begibt, geht es um Handlungen des Machens. Es wird gemacht was jeder als notwendig anerkennt und es wird gemacht was beliebt, was jemand als sinnvoll glaubt.
Es ist ein weiter Weg vom aktiven Leben, dem eigenständigen Tätigsein, zum Machen von Kunst. Der überwiegende Teil der Menschheit macht keine Kunst. Aber der überwiegende Teil der Menschheit macht auch keine Politik oder Medizin oder Landwirtschaft. Die Tätigkeiten der Menschen sind also aufgeteilt. Aber alle machen und wirken in ihrem Bereich und das ist wunderbar.
Meine Vorstellung ist das Bildhauer Dinge machen, die verdeutlichen, dass wir umgeben sind von Material und frei sind daraus zu schöpfen. Sehr gerne möchte man gebaute, gemachte Dinge verstehen als für einen bestimmten Zweck geschaffen. Dies ist eine Axt, das ist ein Tisch, das ist ein Ladekabel. Mit Kunst unterbrechen wir diese Art den Sinn der Dinge zu erklären. Kunst kommt schnell zum weiß nicht oder könnte vielleicht das bedeuten. Bei Musik hingegen fragen wir uns das nicht, Töne müssen keine Bedeutungen haben. Ich möchte Bildhauerei wie Musik machen, jedes Metallstückchen ist eine Note verbunden mit einer nächsten Note und somit eine Melodie, gesungen von einem Sockel.
So wie ich es schätze, dass ein Musiker seine Musik mit einem Instrument eigenhändig erzeugt, so ist es mir wichtig eigenhändig meine Arbeit zu machen. Ich möchte diese Arbeit nicht planen und andere ausführen lassen. Ich möchte die Zeit im Staub, die Zeit da etwas misslingt und anders gelöst werden muss, die Zeit ein Ding in all seinen Entstehungsstadien zu betrachten, die Zeit da man müde und noch nicht fertig ist nicht missen. Der Grund ist sehr einfach. Ich will stolz sein, etwas auf meine Weise erreicht zu haben. Stolz ist ein Wort das unbescheiden klingt, aber so es Stolz ist auf einen eigenen Weg des Machens, ist es das Bekenntnis zutiefst verbunden zu sein mit seiner Sache. Jede fertige Skulptur ist ein Stückchen Weg und erlaubt ein nächstes Stückchen Weg zu sehen. Ein Bildhauer geht vielleicht mehr mit den Händen, so umfasst er eine überraschende Weite im spärlichen Raum seines Ateliers. Das ist ein Glück. Durch Machen in Räume des Zufalls, wie der Vorstellung zu gelangen, ist ein großes Glück.
Köln, den 18. Juli 2020
MAKING
Sculpting is quite an intricate way to express something ambiguous. But at least you have tangible, so to speak, substantial evidence.
It’s the making. Creating a sculpture can't be compared to creating other things. You build something and constantly interpret its form, the state of the material, further possibilities for what could be next, or meanings you want or want to avoid. I like it when the plan is just to start. It's like stepping out of the house and then deciding whether to go right or left.
We only seem to live in an orderly world, believing we know how things are. Yet, right behind the door, as everyone starts making decisions, the jungle, the adventure begins. Every corner you turn or build, every arch you walk or add, leads into something unknown.
We constantly rely on superficial patterns, a city map, constructed roads, or even the city we live in, while having little idea what these real things actually are.
When I start making a sculpture, I don’t know how it will end, what object will look back at me, or what I will feel or think when I see this newly born thing myself. What I do know, however, is that we will have a relationship, the made thing and I. That is a promising prospect.
When a person opens their eyes, they start making. They make coffee or breakfast, get ready for the day. Continuously, until the time comes for them to rest, it's all about acts of making. We do what we all recognize as necessary and do what pleases us, what someone believes to be meaningful.
It's a long way from active living, from independent activity, to the making of art. The majority of humanity doesn't make art. But the majority of humanity also doesn't make politics, medicine, or agriculture. Human activities are thus divided. But all make and work in their domain, and that is wonderful.
My idea is that sculptors make things that clarify that we are surrounded by material and are free to draw from it. We often want to understand constructed, made things as being created for a specific purpose. This is an axe, this is a table, this is a charging cable. With art, we interrupt this way of explaining the purpose of things. Art quickly leads to "I don't know" or "maybe it could mean this." However, with music, we don't ask ourselves that; sounds don't have to have meanings. I want to make sculpture like music, each little piece of metal is a note connected to the next note, forming a melody, sung by a pedestal.
Just as I appreciate a musician creating their music with an instrument by hand, it's important to me to do my work by hand. I don't want to plan the work and have others execute it. I don't want to miss the time in the dust, the time when something goes wrong and must be solved differently, the time of observing a thing in all its stages of development, the time when you’re tired and not yet finished. The reason is very simple. I want to be proud to have achieved something in my own way. Pride is a word that sounds immodest, but when it is pride in one's own way of making, it is a confession of being deeply connected with one's work. Every finished sculpture is a small piece of the journey and allows you to see the next piece of the journey. A sculptor perhaps goes more with their hands, thus encompassing a surprising expanse in the sparse space of their studio. That is happiness. Reaching spaces of chance, like imagination, through making is a great happiness.
Cologne, July 18, 2020