SPIELEN

Manche Skulpturen haben keine eindeutig vorgegebene Standfläche, es gibt ganz verschiedene Positionen, die sie einnehmen können. Ebenso verhält es sich mit den Möglichkeiten, wie einzelne Arbeiten, zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Es ist unbedingt eine Qualität, Dinge erst durch ausprobieren kennenzulernen. Einem Schauspieler ähnlich, bietet eine zunächst unübersichtlich erscheinende Form, verschiedene Seiten, verschiedene Positionen, sich zu präsentieren an.
Die Abbildung oben zeigt, wie Cantabile und Sokratischer Körper miteinander spielen, sie benutzen das O von Mond als Spielball. Diese Szene war so nie vorgesehen. Sie ergab sich, durch die Beschäftigung mit dem uneindeutigen der Formen. Das Bild zeigt humorvoll und rührend zugleich, eine Beziehung.
Ähnlich wie ein Teil, gefunden am Strand oder auf einem Dachboden, bei dem sich eine Verwendung oder Bedeutung nicht zweifelsfrei feststellen lässt, sind manche Skulpturen gewollt unbestimmt. Unbestimmt in ihrem Stand und unbestimmt darin, was sich eigentlich ändert, wenn man eine andere Ansicht herstellt. Das lässt sich durchaus übertragen. Eine andere Ansicht herstellen bedeutet gleichsam, eine andere Meinung ausprobieren. Der Gegenstand bleibt in sich der Gleiche, aber die Anschauung kann sich verändern. Bewegt man leblose Dinge, bewegt sich das Sehen, bewegt sich das Denken.
Doch dieses Anordnen, das Spiel mit den Skulpturen geschieht ja erst, wenn es den einzelnen Gegenstand bereits gibt. Doch zweifellos ist eine Skulptur nicht immer schon da. Wo also ist der Anfang?
Ein Anfang geschieht einfach, was verblüffend genug ist. Der Anfang ist nicht mehr als ein Schritt vor die Tür, so ergibt sich die Idee des irgendwohin. Ein guter Anfang ist, wenn man nicht weiß, wie es endet. Wie bei einer Reise, einem Buch, einer Liebe. Absolut unmöglich, sich vorzustellen was sein wird. Die einzige Absicht ist, endlich zu beginnen. Die einzige Hoffnung ist, dass etwas Ungeahntes geschieht. So ist das Spiel. Es ist die Unvorhersehbarkeit. Das gilt für Fußballspiele, wie für Pferderennen und es gilt vielleicht noch mehr für Gedichte, Zeichnungen, Skulpturen oder Tänze. Wahr ist auch, Spielen geschieht nicht zufällig, es existiert in Kindern als starker Drang, Erwachsene hingegen müssen es wollen und beginnen. Unvorhersehbarkeit, so könnte man es vielleicht beschreiben, ist ein stark anziehender, etwas animalischer Geruch. Der Geruch der Zukunft, das Odeur der Neuen Zeit. Ist der erste Schritt getan, begreift man rasch, welche Sache da geritten wird. Schon der zweite Schritt verlangt eine Entscheidung. Hier liegt womöglich der Grund, warum manche zögern mit jenem ersten Schritt. Er zwingt zu Entscheidungen. Zu entscheiden ist oft eher Last denn Lust. Wirkliche Spieler sind selbstverständlich ernste Leute. Wer sich mit Halma oder Monopoly zufriedengibt, vertreibt sich bloß die Zeit, er spielt nicht wirklich. In einem Spiel gibt es ein Risiko, das Risiko zu scheitern, sich lächerlich zu machen, schlecht zu spielen und alles zu verlieren.
Wer also spielt, wagt und erlebt etwas. Es ist spannend, es verlangt Konzentration und Mut.
Das also sind die Gründe.
Standbein, Spielbein, die Balance ist erreicht. Gleich schon geht es weiter, gleich ändert sich etwas. Doch es ändert sich nichts. Die Balance ist gleichsam eingefroren. Das ist die Regel bei leblosen Dingen. Es sind tatsächlich unbewegliche tote Gegenstände. Jeder Bildhauer weiß dies und schätzt es als Qualität, das Statische ist eine wichtige Eigenschaft. Die Dinge bleiben wo sie sind.
Beweglich ist der Geist, der betrachtet. Es ist nicht vorwegzunehmen, was die Gedanken diktieren. Man versteht nicht, wie etwas in die Welt gekommen ist und was es jetzt überhaupt soll. Es wird mit Erinnerungen, mit dem was jemand gut zu kennen glaubt, mit Mutmaßungen oder mit einer Überzeugung gespielt.
Gleichzeitig ist eine Skulptur unbedeutend, ein harmloses Ding. Ihr Sinn lässt sich letztlich nie eindeutig bestimmen. Eigentlich ärgert es kaum, eine Behauptung aus Material, was sonst noch? Es drängt einen Betrachter, eine Betrachterin zu Erklärungen.
Das ist das Spiel der Erkenntnis. Ein schönes würdiges Spiel.

PLAYING

Some sculptures do not have a clearly defined base, and they can take on various positions. The same goes for the possibilities of how individual works can be related to each other. It's definitely a quality to get to know things through experimentation. Like an Actor, an initially confusing form offers various sides, various Positions to present itself.
The image above shows how Cantabile and Socratic Body play with each other, using the O from Moon as a play ball. This scene was never intended this way. It came about through engagement with the ambiguity of forms. The image humorously and touchingly shows a relationship.
Similar to a part found on the beach or in an attic, for which a use or meaning cannot be definitively determined, some sculptures are deliberately indeterminate. Indeterminate in their stance and indeterminate in what actually changes when a different view is established. This can definitely be transferred. Establishing a different view equally means trying out a different opinion. The object remains the same, but the perspective can change. If you move inanimate things, the viewing moves, and the thinking moves.
But this arranging, this playing with the sculptures, only happens when the individual object already exists. But certainly, a sculpture is not always there. So where is the beginning?
A beginning just happens, which is surprising enough. The beginning is no more than a step out the door, so the Idea of going somewhere arises. A good beginning is when you don’t know how it will end. Like with a journey, a book, a Love. Absolutely impossible to imagine what will be. The only intention is to finally begin. The only hope is for something unexpected to happen. That is the game. It is the unpredictability. This applies to soccer games, horse races, and perhaps even more to poems, drawings, sculptures, or dances. It's also true that playing doesn’t happen accidentally; it exists in children as a strong urge, while Adults have to want it and start. Unpredictability, one might describe it as a strongly alluring, somewhat animalistic scent. The scent of the future, the odor of the New Age. Once the first step is taken, you quickly understand which thing is being ridden. The second step already demands a decision. Herein perhaps lies the reason why some hesitate with that first step. It forces decisions. Deciding is often more a burden than a pleasure. True players are naturally serious people. Those who are content with Halma or Monopoly are just passing the time, they’re not really playing. In a game, there is a risk—the risk of failing, making a fool of oneself, playing poorly, and losing everything.
So those who play, dare, and experience something. It is exciting, it requires concentration and courage.
So, these are the reasons.
Standing leg, playing leg, the balance is achieved. Soon it goes on, something changes. Yet nothing changes. The balance is as if frozen. This is the rule for inanimate things. They are indeed immovable dead objects. Every sculptor knows this and values it as a quality; the static is an important attribute. The things stay where they are.
The movable one is the mind that observes. It cannot be anticipated what thoughts will dictate. One doesn’t understand how something came into the world or what it's meant to do now. It’s played with memories, with what someone believes they know well, with conjectures or with a conviction.
At the same time, a sculpture is insignificant, a harmless thing. Its meaning can never really be determined. It hardly bothers, a statement made of material, what else? It urges a viewer to explanations.
That is the game of realization. A beautiful, dignified game.